Workshop VI, Amanda Boetzkes, 7. Juli 2020

Amanda Boetzkes beginnt die Präsentation ihrer Recherchen zum „Kunststoff-Kapitalismus“ mit einer Reihe kraftvoller Bilder aus Chris Jordans laufendem Projekt Midway (Albatross) (seit 2010). Seine Arbeit zeigt, wie der von der Substanz angezogene Albatros mit tödlichen Folgen die Plastikgegenstände zu sich nahm. Plastik entpuppt sich somit als eine beispielhaft problematische Substanz, die als Abfall niemals verschwindet. Die Fähigkeit, Kunststoffe durch chemische Verfeinerung herzustellen, übersteigt unsere Fähigkeit, später mit ihnen sinnvoll umzugehen.

Kunststoff ist ein ästhetisches Medium, das uns den Planeten auf mehrere Arten technologisch vermittelt. Erstens bestimmt Kunststoff die Zukunft unter dem Vorwand seiner Verfügbarkeit. Zweitens integriert er sich in den Planeten und kehrt als posthumanes, fremdes Material zurück. Drittens wirft dieser Stoff die Frage auf, wie sehr unsere Wahrnehmung von Kunststoffen bereits ein wesentliches Element für ihre Entwicklung ist. Die Reaktion, sei sie chemisch, verhaltensbezogen oder affektiv, wird somit zur Realität. Wie können wir uns von dieser Rückkopplungsschleife lösen?

Unsere Perspektive ist hier entscheidend. Die Art und Weise, wie wir sehen, vermittelt, wie wir Plastik wahrnehmen. Wir sehen durch Plastik. Da es nützlich ist, sehen wir es Heideggers berühmter „Werkzeuganalyse“ folgend nicht. Wir schätzen/sehen den Hammer nachdem er bricht, nicht bevor er in seiner Verwendung aufgeht. Nützlichkeit und Wert haben demnach mit Sichtbarkeit zu tun. Wie können wir Plastik sehen, wenn es unsere Wahrnehmung selbst vermittelt? Ein besseres Verständnis dafür, wie wir wahrnehmen, liefert der Begriff Affordanz, wonach wir sowohl alleine als auch gemeinsam wahrnehmen, also Subjektivität und Objektivität interagieren.

Reaktionen – allergisch, affektiv, ästhetisch usw. – werden Realität. Plastik ist sowohl Ausdruck als auch Antithese des Ausdrucks und gibt uns keine raumzeitlichen Koordinaten. Kunststoff wirft alle Verweise auf einen bestimmten Ort und eine bestimmte Zeit ab. Aus diesem Grund fühlt sich Kunststoff unendlich an.

Die Bandbreite möglicher Reaktionen lässt sich anhand des Vergleichs von Haruhiko Kawaguchis Fotoserie Zatsuran (2015) und Tomás Saracenos Installation On Space Time Foam (2012) veranschaulichen. Kawaguchis Arbeit besteht aus Paaren, die mit ihren Lieblingsprodukten in Schrumpffolie eingewickelt sind und somit für immer in einem inkubierten Zustand aufbewahrt werden, wobei hier Plastik affektiv aufgeladen wird, um Gefühle der Liebe zu vermitteln.

Die Installation von Saraceno ermöglicht es den Personen sich in einer Landschaft aus drei Ebenen transparenter Plastikfolie zu bewegen, die sich über das Innere eines Hangars erstreckt. Die Plastikfilmschichten reagieren auf ihre Bewegungen und machen ihre Handlungen im Raum relational und zaghaft. Die reflexive und nichtlineare Installation verkörpert somit Umgebungsrückkopplungen.

Wir könnten Plastik als das Unheimliche des Öls ansehen. Weder Öl noch Kunststoff sind unsichtbar, aber es handelt sich um unterschiedliche Spezialitäten. Ist eine dieser Substanzen das Unbewusste der anderen?

Kunststoffe I Kapitalismus I Abfall I Wahrnehmung I Sichtbarkeit I Affordanz I Reaktionen