Workshop XXIII, Amina Melikova, 20. April 2021

Amina Melikova, Direktorin des Icherisheher Museum Center, spricht über die Bedeutung von Öl für die aserbaidschanische Kunst in drei wichtigen historischen Epochen: vorrevolutionär, sowjetisch und unabhängig oder modern.

Aserbaidschan und insbesondere seine Hauptstadt Baku sind seit der Antike weltweit für Erdöl bekannt. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dort zum ersten Mal nach Öl gebohrt, wobei Investore*innen wie die Nobel-Brüder und die Rothschilds zu dieser Zeit eine wichtige Rolle spielten. Anfang des 20. Jahrhunderts führte Aserbaidschan sogar die Weltölproduktion an.

In der vorrevolutionären Zeit waren es vor allem ausländische Künstler*innen, die sich mit Öl als künstlerisches Thema auseinandersetzten. Ihre Arbeit war vom Realismus geprägt, wie etwa in der 1886er Serie, die Zeichnungen und Gemälde des schottischen Künstlers William Simpson. Ein weiteres berühmtes Gemälde der vorsowjetischen Ära ist Bibi-Heybat Oil Fields (1916) der russischen Künstlerin Anna Ostroumova-Lebedeva.

Die aserbaidschanische Kunst, die während der Sowjetzeit (1920-1991) produziert wurde, widmete der Entwicklung der Ölindustrie besondere Aufmerksamkeit. Dabei folgte sie dem Stil des Sozialistischen Realismus, der offiziellen Form der Kulturproduktion in der UdSSR, die kommunistische Werte verherrlichte. Darstellungen der Ölindustrie aus den 1920er bis 1950er Jahren zeigen somit stilistische Konsistenz und erheben mit ihrem idealisierten Realismus die Arbeit der Ölarbeiter und ihrer alltäglichen Umgebung. Zu den wichtigsten Künstler*innen dieser Zeit zählen die russisch-sowjetischen Künstler Aleksandr Kuprin und Peter Karpov sowie aserbaidschanische Künstler wie Maral Rahmanzadeh, Hafiz Mammadov, Taghi Taghiyev und Agha Mehdiyev.

In den 1950er Jahren werden neue Trends in der aserbaidschanischen Kunst entwickelt, wie Tofig Javadovs Verwendung kräftiger Farben in seinen Darstellungen von Ölarbeitern veranschaulicht. Die Kritik an Erdöl, die in den 1960er und 1970er Jahren im Westen in Werken wie Esso LSD (1967) des schwedischen Künstlers Öyvind Fahlström auftauchte, kontrastiert mit der bejubelnden Darstellung von Öl aserbaidschanischer Künstler wie Gazanfar Khaligov und Nadir Gasimov.

Nach dem Ende der Sowjetunion und der Unabhängigkeit Aserbaidschans 1991 begannen aserbaidschanische Künstler*innen freier mit stilistischen Ansätzen zu experimentieren, während sie ihr Interesse am Thema Öl beibehielten. Werke von Künstler*innen wie Zakir Hüseynov, Elshan Sarkhanoghlu, Latafat Mammadova, Tora Aghabayova, Museyib Amirov, Farid Mirzoyev und Intiqam Aghayev erforschen neue Formen und gehen von der bisherigen Romantisierung und Monumentalisierung der Arbeit der Ölarbeiter aus.

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