Ernst Logar
Die brasilianische Künstlerin Mari Fraga promovierte in Arts and Contemporary Cultura am Arts Department der Rio de Janeiro State University (UERJ, 2016). Derzeit koordiniert sie als Professorin an der Escola de Belas Artes of Federal University of Rio de Janeiro (UFRJ) die Forschungsgruppe GAE zu Kunst und Ökologie. Sie präsentiert ihre Arbeiten zu fossilen Brennstoffen, menschlichem Handeln und Natur aus ökologischer Perspektive. Fraga begann sich während einer Künstlerresidenz in der Akiyoshidai International Art Village (AIAV), Japan, auf fossile Brennstoffe zu konzentrieren. Mit aus Ruß bestehender Sumi Tusche, untersuchte sie den Stoffwechsel von Lebewesen. Anschließend wandte sie sich der Substanz Asphalt…
Der nigerianische Fotograf George Osodi präsentiert sein großes, vor 20 Jahren begonnenes und fortlaufendes Fotoprojekt, indem er die Auswirkungen von Erdöl auf die Bevölkerung des Nigerdeltas – Afrikas wichtigste Ölförderregion – dokumentiert. Anfangs wurde den Gemeinschaften des Nigerdeltas versichert, dass die seit den 1950er Jahren in der Region stattfindende Ölförderung, Wohlstand und anderen positive Auswirkungen mit sich bringen würde. Sie ahnten noch nicht, dass das, was sie als Rohstoff betrachteten, letztlich zu Gift werden würde. Auf der Suche nach einem Medium, um seine Erfahrungen mit den schädlichen Auswirkungen des Erdölsls in der Region, in der er aufgewachsen ist, zu erzählen,…
Rayyane Tabet studierte Architektur an der Cooper Union, New York, und Fine Art an der University of California, San Diego. Er lebt in Beirut und San Francisco. Zur Zeit des libanesischen Bürgerkriegs 1983 geboren, wuchs Tabet in der Zeit des Wiederaufbaus mit vielen Geschichten, die die wirtschaftliche Stabilität des Landes vor dem Konflikt romantisierten, auf. Schließlich begab Tabet sich auch deshalb auf die Entdeckungsreise zu einem einzigartigen Forschungsobjekt: der Transarabischen Pipeline. Im Februar 1945 vereinbarten die USA und Saudi-Arabien, dass Saudi-Arabien Öl für die USA sichern und die USA im Gegenzug politischen Schutz gewähren würden. Zu dieser Zeit erreichte das…
Amina Melikova, Direktorin des Icherisheher Museum Center, spricht über die Bedeutung von Öl für die aserbaidschanische Kunst in drei wichtigen historischen Epochen: vorrevolutionär, sowjetisch und unabhängig oder modern. Aserbaidschan und insbesondere seine Hauptstadt Baku sind seit der Antike weltweit für Erdöl bekannt. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dort zum ersten Mal nach Öl gebohrt, wobei Investore*innen wie die Nobel-Brüder und die Rothschilds zu dieser Zeit eine wichtige Rolle spielten. Anfang des 20. Jahrhunderts führte Aserbaidschan sogar die Weltölproduktion an. In der vorrevolutionären Zeit waren es vor allem ausländische Künstler*innen, die sich mit Öl als künstlerisches Thema auseinandersetzten. Ihre Arbeit war…
Der in Frankreich lebende russische Künstler Andrei Molodkin beginnt seine Präsentation über seine Arbeit mit Rohöl, indem er uns von seiner Zeit in der Armee erzählt. Während seines Studiums diente er auch in der sowjetischen Armee im Transport von Raketen durch Sibirien. Bei den eisigen Temperaturen rieb Molodkin Öl über seinen Körper, um Wärme zu erzeugen und sich so am Leben zu erhalten. Mit Öl bedeckt hielten die Soldaten oft auf ihrem gefährlichen Weg an, und die Dorfbewohner*innen hatten Mitleid mit den Männern und versorgten sie mit Essen. Öl wurde ihre Überlebensquelle. Diese militärische Erfahrung ist ein wichtiger Bezugspunkt für…
Karen Pinkus, Professorin für Italienisch und vergleichende Literaturwissenschaft, betrachtet in ihrem breit gefächerten spekulativen Vortrag, mögliche Post-Erdöl-Narrative. Wie könnten sie aussehen, und inwiefern würden sie „Erdöl“-Narrativen oder anderen Erzählungen unserer jüngsten Vergangenheit und Gegenwart ähneln? Sie beginnt, indem sie zwei Erdöl-Narrative vorstellt: Öl! (1926-27) von Upton Sinclair und Petrolio (1992) von Pier Paolo Pasolini. Die charakteristischen Elemente von Erdöl-Narrativen zu definieren könnte uns vielleicht helfen uns Post-Erdöl-Narrative und somit die Zukunft vorzustellen. Aktuell fokussiert Karen Pinkus in ihrer Arbeit die Epoche, die durch das Ende von Kohle und den Beginn des Erdöls geprägt ist. Sie untersucht die Beziehung von Oberfläche…
Professor Janet Stewart hat einen akademischen Bildungshintergrund in Visual Culture Studies und Deutsch und ist derzeit als Executive Deander Fakultät für Geisteswissenschaften an der Universität von Durham, Großbritannien tätig. Sie war zuvor an der Universität von Aberdeen beschäftigt und forscht seit vielen Jahren an der Verbindung von Moderne zwischen visueller Kultur und Erdöl. Sie organisierte 2018 die dritte internationale Petrocultures Konferenz und ist derzeit am internationalen Forschungsprojekt Climaginaries beteiligt. In Janet Stewarts Forschung zur Beziehung zwischen Museen und Globalisierung, die in Aberdeen von der Ölindustrie geprägt ist, untersucht sie, wie Sichtweisen von der fossilen Brennstoffindustrie geprägt sind. In ihrer bevorstehenden…
Reflexionen über eine Kultur des Erdöls Erdöl ist eine Substanz mit ambivalenten Eigenschaften: Einerseits zerstört ihr Gebrauch die Umwelt und verändert das Klima. Andererseits prägt sie den Alltag des Menschen in vielerlei Hinsicht und verleiht ihm eine immense Machtfülle. Künstlerinnen und Künstler der Universität für angewandte Kunst Wien versuchen in einem gemeinsamen Projekt mit Forschenden der Montanuniversität Leoben zu zeigen, wie Erdöl die Identität des Menschen mitbestimmt.
Im ersten Teil seines Vortrags „Grundlagen des Erdölsystems: Der Spielplatz des Erdölgeologen“ lenkt David Misch, stellvertretender wissenschaftlicher Leiter des Lehrstuhls für Erdölgeologie an der Montanuniversität Leoben, unsere Aufmerksamkeit auf die wichtigsten Elemente des Erdölsystems: Muttergestein, Speichergestein, Deckgestein und Abraumgestein. Die Prozesse, um die es dabei geht, sind die Bildung von Störstellen, die Entstehung von Erdöl, sowie dessen Migration, Akkumulation und schließlich Erhaltung im Untergrund über beträchtliche geologische Zeiträume. Dass in den Lagerstätten angesammelte Öl muss zugänglich sein, so Misch. Das Deckgestein hält das Öl an Ort und Stelle, indem es Kohlenwasserstoffe von der weiteren Migration an die Oberfläche abhält, und…
Die in Paris lebende russische Kuratorin und Kunsthistorikerin Elena Sorokina präsentiert ihre für die Moskauer Biennale für zeitgenössische Kunst 2007 kuratierte Ausstellung Petroliana, die auf ihrer Ausstellung Crude Oil Paintings aus dem Jahr 2004 bei White Columns in New York aufbaut. Der Titel der Ausstellung ist der Arbeit des Künstlers Jewgenij Fiks entnommen. Er war der erste eingeladene Ausstellungsteilnehmer. Fiks präsentiert sein Projekt Crude Oil Paintings in Form einer Reihe von Briefen von Ölfirmen, die seine Anfrage nach Rohölproben ablehnten. Elena Sorokinas Ausstellungen sind intersektionell. Sie kontextualisiert Petroliana, indem sie die visuellen Verherrlichungen des sowjetischen sozialistischen Realismus, wie der Industrialisierung…
Der Energie- und Ressourcenökonom Johannes Schmidt, außerordentlicher Professor am Institut für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung der Universität für natürliche Ressourcen und Biowissenschaften, Wien, stellt seine Arbeit zu reFUEL vor. In diesem vom Europäischen Forschungsrat finanzierten fünfjährigen Forschungsprojekt wird die Rolle des Handels für die weltweite Zukunft erneuerbarer Energien analysiert. In seinem Vortrag „Globalisierung? Handel mit erneuerbaren Brennstoffen und soziale Landnutzungsbeschränkungen in einem kohlenstoffarmen Energiesystem“, beschreibt Schmidt seine Recherchen über die Auswirkungen erneuerbarer Energien auf Flächennutzung in Österreich, Schweden und Brasilien. Er erklärt, wie wichtig die Verfügbarkeit von Land ist, und wie die Infrastruktur für die Verarbeitung und den Transport fossiler Brennstoffe…
Kunstraum Lakeside, Klagenfurt (AT), Präsentation und Performance, 6. Mai 2021, 12–20 Uhr (Performance um 18 Uhr) Die Welt wurde im 20. Jahrhundert durch das Erdöl grundlegend verändert. Diese Transformation betraf sämtliche Lebensbereiche und reichte von der Massenmobilität über die Art der Nahrungsmittelproduktion bis hin zum Einsatz von Polymeren und Kunststoffen für Konsumartikeln wie Kosmetika und Kleidung. Doch die Allgegenwart von Erdöl im Alltag fand kaum Niederschlag im kulturellen Imaginären. Erst im 21. Jahrhundert wird unsere Abhängigkeit von Erdöl angesichts der zu Ende gehenden Rohölreserven und den bereits spürbaren Auswirkungen des durch Kohlenstoffemissionen verursachten Klimachaos offensichtlicher. Ernst Logar zählt zu jenen…
Bernhard Schmidt ist Naturwissenschaftler, Museumspädagoge und seit 2012 Teamleiter der Abteilung Energie & Bergbau des Wiener Technischen Museums. Während er sich intensiv mit Fragen von Nachhaltigkeit und Ökologie beschäftigt, war seine erste Aufgabe die Neugestaltung der Ausstellung über Öl & Erdgas. Möglich wurde diese Neugestaltung durch eine Kooperation mit der OMV Aktiengesellschaft an dem Projekt, die ein neues Image der Ölindustrie fördern wollte. Die Entwicklung der 2014 eröffneten Neugestaltung dauerte eineinhalb Jahre. Ihre Suche nach Exponaten führte Bernhard Schmidt und seine Kolleg*innen in die Lagerräume des Technischen Museums Wien, in das historische, kleine Ölmuseum in Neusiedl an der Zeya, das…
Johannes Frasnelli beschäftigt sich insbesondere mit Geruchswahrnehmung und forscht aktuell am Labor für chemosensorische Neuroanatomie der Université du Québec à Trois-Rivières. Sein Forschungsgebiet sind die drei chemischen Sinne: Geruch, Geschmack und Trigeminalssytem. Diese drei eng zusammenwirkenden Sinne sind mit Nase und Mund verbunden und dienen der Erkennung und der neuronalen Verarbeitung von Chemikalien in der Umwelt. Die chemischen Sinne schützen uns und spielen auch beim Genuss eine wichtige Rolle. Um die Forschung des Labors für chemosensorische Neuroanatomie zu veranschaulichen, präsentiert Frasnelli die Ergebnisse einer Untersuchung der Parkinson-Krankheit, die von einem seiner Studenten durchgeführt wurde. Ziel dieses Forschungsprojekts war zu untersuchen,…
Elisabeth Dokulil hat ein Doktorat in Biochemie und ist praktizierende Psychotherapeutin in Wien. Ihre Reflexion über Öl begann, als sie mit Verwunderung feststellte, dass Erdöl hauptsächlich als Brennstoff verwendet wird, etwa für Transport und Heizung. Das ist eine eingeschränkte Verwendung einer mächtigen Ressource. Warum verbrennen wir sie einfach? Psychoanalytische Theorie eröffneten für Elisabeth Dokulil eine freudianische Perspektive auf Kultur. In seinem Buch Das Unbehagen in der Kultur (1930) kategorisiert Freud die Instinkte einer Person in zwei Antriebe: den Eros-Antrieb und den Thanatos-Antrieb. Während Eros Sorge tragen möchte, versucht Thanatos zu zerstören. Das ist auch Teil unserer biologischen Notwendigkeit zu sterben.…
Cleo Reece wurde in Fort McMurray, Alberta, Kanada, geboren. Die Cree-Métis-Aktivistin und Filmemacherin begründete 2008 die Keepers of the Athabasca Watershed Society mit. Die Society entstand, um die Anliegen ihrer Community in Bezug auf die lokalen Gewässer und deren Wasserqualität zu vertreten. Keepers of the Athabasca Watershed Society arbeiten an pädagogischen Projekten für Öko-Literarität. Sie organisieren etwa Workshops über Klimawandel und pädagogische Aktivitäten, darunter einen Kurs über eine nachhaltige Zukunft für Kinder bis 12 Jahre. Im Jahr 2010 begann Reece den Healing Walk, um auf die Auswirkungen der Umweltverschmutzung durch die Ölindustrie und die Folgen auf die Bevölkerung aufmerksam zu…
Oliver Ressler beschäftigt sich mit Alternativen zum Kapitalismus, mit der globalisierten Wirtschaft, mit Migration und Widerstand. Sein Fokus auf die Klimakrise begann 1996 mit seiner Installation 100 Jahre Treibhauseffekt inspiriert von den Schriften des schwedischen Wissenschaftlers Svante Arrhenius (1859-1927) über die globale Erwärmung sowie neueren Arbeiten zu nachhaltiger Entwicklung. Seither wuchs sein Interesse an der Klimabewegung und ihren Aktionen zivilen Ungehorsams, und er begann diese Protestaktivitäten zu dokumentieren. Everything’s coming together while everything’s falling apart (2016-2020) ist eine 6-Kanal-Videoinstallation, die sich auf direkte Aktionen und darauf wie solche Proteste organisiert werden, konzentriert. Seine Arbeit zielt auch darauf ab, der vorherrschenden…
Die in Berlin lebende Künstlerin Kat Válastur stellt ihre Choreografie OILinity aus 2016 vor, die von ihrem sechsmonatigen Aufenthalt in Baku, Aserbaidschan, inspiriert ist. Sie entdeckte, dass in Baku alles von Erdöl bestimmt war und auch ihr eigener Körper dadurch definiert wurde. Sie zieht eine Parallele zwischen dem Konsum von Erdöl und Blut: „Es war, als ob Blut von Erdöl verbraucht wurde“. OILinity reflektiert diese Beziehung, indem es Öl als Metapher für Schwarze Galle verwendet. Schwarze Galle wird von unserem Organismus produziert und repräsentiert Melancholie im auf die Humorallehre der griechischen Antike zurückgehenden europäischen Denken. Während wir Galle produzieren, produziert…
Heather Davis stellt einige Ideen über unsere Beziehung zu Plastik vor, die sie in ihrem bald erscheinenden Buch Plastic Matter theoretisiert. Während wir kaum unmittelbaren Kontakt zu Rohöl haben, so Davis, ist unsere Beziehung zu Plastik intim, da Plastik unter anderem in unserer Nahrung und in unserer Kleidung vorhanden ist. Plastik ist heute in unsere Kultur eingebettet, es ist überall. Mikroplastik ist in unserer Umwelt allgegenwärtig. Was bedeutet es, unseren Planeten mit diesen Molekülen überzogen zu haben? Im Gegensatz zu Amanda Boetzkes’ Forschung, die sich auf das Konzept von Abfall und dessen Beziehung zu Kapitalismus konzentriert, setzt Heather Davis einen…
Benjamin Steininger stellt das in Kürze erscheinende Buch Erdöl: Ein Atlas der Petromoderne? (Matthes & Seitz, Berlin 2020) vor, das in 43 Kapiteln ein weites Panoptikum unterschiedlicher Technologien, Geographien und kultureller Praktiken präsentiert, die sich auf Erdöl beziehen und darauf beruhen. Eines der Kapitel trägt den Titel „Schwarzer Spiegel“. Chemiker*Innen untersuchen die Reflexion und optische Aktivität von Öl, aber auch Kulturtheoretiker*Innen interessieren sich dafür. Doch was sehen wir? Was können wir sehen? Was können wir durch Öl über unsere eigene Subjektivität lernen? Es ist wichtig, sich zur Beantwortung dieser Frage mit dem Medium selbst auseinanderzusetzen. Polarisation ist ein Werkzeug, um…